Vorsorge vor dem Erbfall
Allgemein und persönlich
Oft braucht es einen Anstoß, um sich über eine Vorsorgeregelung Gedanken zu machen. Solche Dinge schiebt man gerne vor sich her.
Das gilt auch für Rechtsanwälte. Vor Jahren hörte ich mir zusammen mit einigen Kolleginnen und Kollegen einen vorzüglichen Fachvortrag von Prof. Bengel, Notar und Erfinder des genialen "Behindertentestaments" an. Unverhofft stellte der Referent die Frage, wer denn von uns vermeintlichen Experten die erforderlichen Regelungen in eigener Sache getroffen hätte. Eine Vollmacht zur Fortführung der Rechtsanwaltspraxis für den Fall einer Katastrophe, ein Testament zur Absicherung nahestehender Personen, vielleicht eine Vollmacht über den Tod hinaus, damit ein Erbe vor Erteilung des Erbscheins handlungsfähig bleibt. Ergänzend warf der Referent die Frage auf, ob man uns im Fall des Falles für unsere Schlamperei in eigener Sache dankbar sein würde.
Über das Ergebnis dieser Frage sage ich besser nichts. Als sich allerdings die Teilnehmer des Seminars eine Woche später trafen, da hatten fast alle ihre Hausaufgaben gemacht. Es ist nicht schwer. Ein Blatt Papier, etwas nachgedacht und schon ist der Anfang gemacht.
Im Erbrecht galt und gilt der Grundsatz, dass an erster Stelle der Wunsch des Erblassers kommt. Per Auslegung und mit absolutem Vorrang der Auslegung ist der Wille des Erblassers zu erforschen und zu respektieren. Allerdings sind die Formvorschriften zu beachten. Die Verfügung soll ja halten und keinen unnötigen Streit provozieren.
Konkret im Einzelfall
In der Praxis der Vorsorgeberatung liegt jeder Fall anders. Die Grundlagen unseres Erbrechts sind jedoch uralt, haben eine jahrhunderte alte Tradition und dementsprechend kann man oft auf bewährte Konzepte zurückgreifen. Allerdings haben sich auch manche Regelungen geändert. Im Bereich der vorweg genommenen Erbfolge ist ein großer Teil der früher üblichen Notarverträge zu überarbeiten; sie sind nicht mehr vor Angriffen der Sozialämter sicher, weil der BGH seine Rechtsprechung geändert hat.
In meiner Beratungspraxis führe ich in aller Regel zunächst ein Gespräch über die Grundlagen und die Vorstellungen des jeweiligen Mandanten. Häufig ergeben sich dabei im Einzelfall noch Aspekte, die einer weiteren Überlegung bedürfen. Dann wird die erforderliche Lösung formuliert, erörtert und fertig gestellt.
Mitunter geht es mit wenig Zeitaufwand. Ein einfaches "Geschiedenentestament" macht wenig Mühe. Manchmal braucht es deutlich länger und der Steuerberater muss mit ins Boot, häufig bei Firmeninhabern oder Mitgesellschaftern.
In diesen Beratungsfällen vereinbare ich mit dem Mandanten oder der Mandantin meistens ein Honorar nach Bearbeitungszeit. Die anwaltliche Gebührenordnung - RVG - ist ja nach Gegenstandswerten ausgerichtet und das ergibt häufig ein unangemessenes Honorar. Mit einem Zeithonorar können beide Seiten klar und fair kalkulieren. Anders als Notare müssen Rechtsanwälte im Beratungsbereich nicht mehr nach den starren Gebührensätzen abrechnen. Das erspart unliebsame Überraschungen. In dem Bereich der Testamentsgestaltung sind auch Pauschalhonorare möglich.
Nebenbei bemerkt
Früher galt die Testamentsgestaltung als Domäne der Notare. Der Grund lag in den Gebührenordnungen. Da Notare häufiger mit hohen Gegenstandswerten zu tun haben als Rechtsanwälte, sieht die Kostenordnung der Notare für denselben Gegenstandswert eine geringere Vergütung vor als die anwaltliche Gebührenordnung (früher BRAGO, jetzt RVG). Da beide Berufsstände starr nach der vorgeschriebenen Gebührenordnung abrechnen mussten, war ein Testament bei dem Notar erheblich billiger als bei dem Anwalt.
Diese Zeiten sind vorbei. Heute dürfen Anwälte nach freier Gebührenabrechnung mit dem Mandanten liquidieren - eben nach Leistung. Notare nicht. Notarielle Erbverträge - doppelt so teuer wie notarielle Testamente - werden meist abgelehnt, weil sich niemand ohne hellseherische Fähigkeiten mehr für alle Zukunft binden lässt, falls er oder sie einigermaßen nachdenkt. Spätestens wenn man einen notariellen Erbvertrag ändern will oder muss, bemerkt man seinen Fehler. Die Änderung geht in der Regel nur mit einem neuen Erbvertrag, also nur mit neuen, sinnlosen Kosten. Nach dem Tod des anderen Vertragspartners ist praktisch keine Änderung mehr möglich. Erbverträge sind teure Dinosaurier geworden.
Heute versuchen viele Banken, in das Geschäft der Vorsorgeberatung einzusteigen. Der klassische Trick ist das Angebot an einen guten, nicht gerade armen Kunden, ihm kostenlos ein individuelles Testament zu gestalten. Dabei setzt der Bankberater einen bewährten Mitarbeiter als Testamentsvollstrecker ein. Das kostet den Erblasser tatsächlich nichts. Den Nachlass allerdings kostet das die Testamentsvollstreckergebühr - ungefähr 8 Prozent des Nachlasses. Für ein solch fürstliches Honorar arbeitet jeder gerne.