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Zugewinnausgleich

Der Zugewinnausgleich im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft hat schon in der Vergangenheit den betroffenen Eheleuten regelmäßig Probleme bereitet. In der Praxis rechnen mindestens 9 von 10 betroffenen Eheleuten falsch. Die klassische, rechnerisch leider falsche Antwort, wie man denn im Falle der Beendigung der Zugewinngemeinschaft (Scheidung, Tod oder Ehevertrag) die Vermögensansprüche auseinander dividiert, lautet: "Da wird alles hälftig geteilt, weil das ja in der Gemeinschaft alles gemeinsam ist".

Obwohl es die Zugewinngemeinschaft seit Jahrzehnten gibt (ex - DDR - Ehen ab Beitritt übergeleitet, Einzelheiten BGH NJW 1999, 2520) und nur die wenigsten Eheleute per Ehevertrag etwas anderes vereinbart haben, ist dieser Irrtum "Es wird alles hälftig geteilt" nicht auszurotten. Das liegt an der täuschenden Überschrift des Gesetzes. Tatsächlich ist die "Zugewinngemeinschaft" eigentlich eine Unterform der Gütertrennung mit bestimmten Auseinandersetzungsregeln für den Fall, dass die Zugewinngemeinschaft endet durch Scheidung, Tod oder Ehevertrag.

Dazu ein Blick in das Gesetz, sonst glaubt das niemand:

§ 1363 BGB Zugewinngemeinschaft (1) 1Die Ehegatten leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren.

(2) 1Das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten; dies gilt auch für Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt. 2Der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, wird jedoch ausgeglichen, wenn die Zugewinngemeinschaft endet.

Die gesetzliche Regelung bedeutet also:

Es wird nach dem Gesetz eben nicht alles gemeinsam, nichts gemeinschaftlich, nichts "alles eins". Die Vermögensmassen und während der Ehe erworbenes Vermögen bleiben säuberlich getrennt (falls nicht die Eheleute zum Beispiel ein Hausgrundstück gemeinsam zu Miteigentum je 1/2 erwerben oder ein gemeinsames Konto bei der Bank unterhalten). Es gibt nur schuldrechtliche Ausgleichsansprüche.

Geteilt wird grundsätzlich nach immer gleichen, eigentlich einfachen Rechenschritten:

Zuerst ermittelt man für jeden Ehegatten getrennt dessen Anfangsvermögen zum Datum der standesamtlichen Eheschließung. Den Saldo dieses Vermögens (Aktivvermögen abzüglich Schulden) stellt man dann als Anfangsvermögen fest. Dann bereinigt man dieses Vermögen um die inflationsmäßige Entwertung bis hin zu dem Stichtag des Endvermögens, also bis zu dem Datum, an dem der Scheidungsantrag über das Gericht dem anderen Ehegatten zugestellt wird. Damit - also Anfangsvermögen zuzüglich Indexierung (= inflationsmäßige Bereinigung) - hat man das korrekte Anfangsvermögen.

Dann ermittelt man für denselben Ehegatten dessen Endvermögen = Vermögenssaldo zum Zustellungsdatum des Scheidungsantrags. Die Differenz von Endvermögen abzüglich Anfangsvermögen ist dann der Zugewinn, den dieser Ehegatte gemacht hat.

Dieselbe Berechnung nimmt man dann vor in Bezug auf den anderen Ehegatten, also wiederum dessen Endvermögen abzüglich inflationsbereingtem Anfangsvermögen. Damit hat man dessen Zugewinn.

Hat nun ein Ehegatte einen höheren Zugewinn erwirtschaftet als der andere, dann muss er die Hälfte dieser Differenz an den anderen Ehegatten zahlen, fällig mit Datum der Rechtskraft der Scheidung (wenn nichts anderes vereinbart wird).

Die Regelungen stehen im Gesetz, §§ 1363 bis 1390 BGB. Im Gesetz stehen auch Einzelheiten wie Beispielsweise die Behandlung von Erbschaften während der Ehe (§ 1374 II BGB) oder böswillige Vermögensverschwendungen geregelt.

Vom Grundsatz her ist der Zugewinnausgleich also eigentlich ganz einfach. Immer: Endvermögen abzüglich Anfangsvermögen ist der Zugewinn. Wer mehr Zugewinn gemacht hat, zahlt dem anderen Ehegatten die Hälfte des Überschusses.

Die Probleme kommen dann aber in der Praxis. Dazu stelle ich im nächsten Absatz ein paar Berechnungsbeispiele zusammen. Aber, Vorsicht: Mit "juristischer Selbstmedikation", oft gepaart mit dem Versuch, den anderen Teil mit einem notariellen Vertrag über den Tisch zu ziehen, haben sich schon Viele selbst ausgetrickst.

Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts gibt es den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Von immerhin 90 Prozent der betroffenen Eheleute (Umfrageergebnis des Ministeriumus von 2012!) wurden und werden die gesetzlichen Regeln aber nicht verstanden. Damit sind die Bürger in "guter" Gesellschaft. Viele Juristen verstehen die Regeln auch nicht, falls sie sich nicht damit konkret beschäftigt haben. Oder wussten Sie auf Anhieb, dass zum Beispiel das Geld, das Sie während der Ehezeit als Schmerzensgeld bekommen haben - vielleicht eine Abfindung für den Verlust eines Körperteils nach einem Verkehrsunfall - dem Zugewinnausgleich unterliegt? Oder dass Sie Ihren Verlust aus Glücksspiel nach der Trennung vom Ehepartner regelmäßig nicht absetzen können, wohl aber etwaige Gewinne teilen müssen (Stand Rechtsprechung 2012)?

Juristen sind keine Gesetzgeber. Schauen wir uns ein paar Beispiele an.

Beispiel GÜ einfach

Beispiel Zugewinnausgleich, einfacher Fall:

Vorüberlegung: Erst einmal Ordnung in den Wust der Probleme anlässlich Trennung/Scheidung bringen. Scheibchenweise, aber stets mit einem Blick auf das Gesamte, lösen sich die Dinge einfacher.

Wer seine Angelegenheit komfortabel und überschaubar ordnen will, sortiert sich den Schriftwechsel exakt so wie das Gericht. Da behält man später auch die Übersicht, was im jeweiligen Verfahren und den Unter- oder Nebenverfahren vorgetragen wurde.

Römisches Recht: Quod non in acta, non in mundo. Sinngemäß übersetzt: Was nicht in der Akte steht, existiert für das Gericht nicht. Klartext: Da das Gericht nicht über hellseherische Fähigkeiten verfügt (es mag Ausnahmen geben), muss man das, was der Richter bei seiner Entscheidung berücksichtigen soll, dem Gericht zur Kenntnis bringen.

Bei uns in Deutschland ist selbstverständlich auch die gerichtliche Aktenführung geregelt. Das Aktenzeichen 08 F 15/12 GÜ Amtsgericht Koblenz bedeutet dementsprechend:
08 = Dezernat/zuständiger Richter/in
F = Familienrechtssache
15 = die 15. Akte in diesem Geschäftsjahr
/12 = Geschäftsjahr 2012
GÜ = Güterrecht (meist Zugewinnausgleich)

Zugewinn-Berechnungsbeispiele, zunächst ein einfacher Beispielsfall (aus der Praxis, nur die Zahlen gerundet. Auf der Gegenseite war keine Koblenzer Kanzlei beteiligt.)

Fall: Anfangsvermögen war bei beiden Eheleuten Null. Endvermögen der Frau war ein Sparbuch mit 8.000 Euro. Der Mann hatte eine Kapitallebensversicherung mit einem Wert von 20.000 Euro und Schulden aus einem während der Ehezeit in die Pleite gegangenen Betrieb in Höhe von 30.000 Euro.

Ursprüngliche Argumentation des Mannes: Es wird alles hälftig geteilt. Ich bekomme die Hälfte vom Sparbuch und Du bekommst die Hälfte der Versicherung, musst aber auch die Hälfte der Schulden zahlen. Im Ergebnis wäre also jeder Ehegatte mit 1.000 Schulden aus der Ehe gegangen (4.000 plus, 10.000 plus, 15.000 minus). Das war falsch.

Ursprüngliche Argumentation der Frau (groteskerweise von ihren ersten beiden Anwälten übernommen): Das Sparbuch ist für meine Altersvorsorge und von mir persönlich angespart, weil ich gut mit dem Haushaltsgeld umgegangen bin. Deshalb bleibt mir das Sparbuch persönlich. Von der Lebensversicherung steht mir als Ehefrau die Hälfte zu. Mit Deinen Betriebsschulden habe ich nichts zu tun; da hättest Du besser wirtschaften müssen. Ergebnis wäre: Frau hat 18.000 plus, Mann behält 20.000 Schulden (10.000 plus aus der halben LV, 30.000 Schulden). Auch falsch.

Richtige Lösung: Die Frau hatte 8.000 Zugewinn (8.000 Endvermögen abzüglich Null Anfangsvermögen). Der Mann hatte keinen Zugewinn (Endvermögen: 20.000 Lebensversicherung abzüglich 30.000 Schulden ergeben ein negatives End"vermögen", also im Saldo 10.000 Restschulden).

Das Endvermögen (hier: des Mannes) wird rechnerisch aber nie negativ gerechnet, sondern mindestens Null (Verluste eines Ehegatten sind nicht auszugleichen, gilt auch nach der Reform des Güterrechts. Argument ist das Gesetz, § 1373 BGB regelt den Zugewinn - und nicht einen Verlustausgleich beim Endvermögen). Eine Ausnahme zum negativen Endvermögen gibt es nur bei § 1375 Abs. 2 BGB, Handlungen in Benachteiligungsabsicht.

Also: Frau hat 8.000 Zugewinn. Mann hat Null Zugewinn. Der Zugewinn der Frau übersteigt den Zugewinn des Mannes um 8.000. Also muss die Frau dem Mann die Hälfte davon, 4.000 Euro, zahlen.

Das richtige Ergebnis, anders ausgedrückt: Die Frau zahlt 4.000 und behält den Rest ihres Sparbuchs. Der Mann bekommt die 4.000, behält seine Lebensversicherung und darf seine Schulden alleine bezahlen.

Anmerkung: Gerade zur Herbeiführung einer einvernehmlichen Scheidung ist es wichtig, zuerst einmal richtig und sauber zu rechnen. Dann gibt es keinen Streit. Über Bewertungsfragen - welchen Wert mag das Haus haben? - kann man sich oft einigen, wenn die übrigen Fragen geklärt sind. Man kann dann auch einvernehmlich vom rechnerisch zutreffenden Ergebnis abweichen (der eine Teil behält z. B. den Hausrat komplett, auch das Auto und der andere Teil bekommt eine Ausgleichszahlung). Eine Einigung fällt leichter, wenn jeder weiß, was ihm gesetzlich zusteht.

Im obigen Beispielsfall musste kein Prozess geführt werden. Ob die ersten beiden Anwaltskanzleien ihre Falschberatung der Ehefrau in Rechnung gestellt haben, ist diesseits nicht bekannt. Die dritte Kanzlei hatte die Ehefrau dann richtig beraten und der Fall war gelöst.

Beispiel GÜ, Indexierung

Beispiel Zugewinnausgleich mit Indexierung (Berücksichtigung der Inflation)

Zwischen dem Anfangszeitpunkt - Eheschließung - und dem Datum der Zustellung des Scheidungsantrages vergeht oft viel Zeit. Per Inflation reduziert sich der Wert des Anfangsvermögens. Man muss daher das Anfangsvermögen um den Inflationsfaktor bereinigen, also die Geldentwertung berücksichtigen (unstreitig anerkannt seit BGH NJW 1974, 137). Theoretisch gilt dasselbe, falls wir eine Deflation bekommen sollten (Palandt, § 1376 Rdn 25).

Beispiel:

Ehefrau hat kein Anfangsvermögen, aber ein Endvermögen von 10.000. Ehemann hatte ein Anfangsvermögen von 100.000 und ein Endvermögen von 110.000. Die Ehe wurde geschlossen am 2.1.1985. Der Scheidungsantrag wurde zugestellt am 15.5.2011.

Ohne den Inflationsfaktor würde man - falsch - rechnen: Ehefrau hat (10.000 Endvermögen minus 0 Anfangsvermögen) 10.000 Zugewinn. Mann hat (110.000 Endvermögen abzüglich 100.000 Anfangsvermögen) auch 10.000 Zugewinn. Bei beiden Eheleuten ist der Zugewinn gleich hoch, also keine Ausgleichspflicht. Das ist falsch.

Die richtige Berechnung: Bei der Ehefrau verbleibt es bei 10.000 Zugewinn (Null Anfangsvermögen ist und bleibt Null, egal, ob Inflation oder Deflation des Geldwertes). Anders bei dem Ehemann. Dessen 100.000 Anfangsvermögen zum Zeitpunkt des 2.1.1985 entsprechen an Geldwert zum Zeitpunkt des 15.5.2011 immerhin 157.349 (offizieller allgemeiner Verbraucherindex, also 100.000 * 109,2/69,4).

Richtig also: Beim Mann kein Zugewinn (110.000 Endvermögen abzüglich 157.349 inflationsbereinigtes Anfangsvermögen ergeben keinen Gewinn, sondern einen Verlust von 47.349!). Der Zugewinn der Frau, 10.000, übersteigt den Zugewinn des Mannes, der keinen Zugewinn gemacht hat, um 10.000. Die Frau muss daher in diesem Beispiel die Hälfte ihres höheren Zugewinns, also 5.000, an den Mann herauszahlen, fällig mit Rechtskraft der Scheidung.

Man sieht wie üblich: Da ist es nichts mit dem Spruch "Es wird alles hälftig geteilt".

Im vorstehenden Beispiel hatten wir positives Anfangsvermögen, das unstreitig um den Inflationsfaktor zu bereinigen ist bzw. "Null", was man nicht bereinigen kann. Interessant und wegen der Schlampigkeit des Gesetzgebers bislang (im Jahr 2012) nicht gelöst ist der Fall, wie man den Inflationsausgleich bei negativem Anfangsvermögen rechnet.

Beispiel: Frau hat Null Anfangsvermögen und Null Endvermögen (damit die Berechnung leichter fällt). Mann hat zum Zeitpunkt der Eheschließung am 2.1.1985 Schulden in Höhe von 10.000. Zum Datum der Zustellung der Scheidung am 15.5.2011 hat er die Schulden abgebaut und zusätzlich 10.000 Vermögen.

Ohne Inflationsbereinigung hätte er 20.000 Zugewinn (10.000 Schuldenabbau zuzüglich 10.000 Endvermögen). Nur, wie bereinigt man die 10.000 Schulden am Anfang der Ehe um den Inflationsfaktor? Bedingt durch die Inflation wird die Tilgung von Altschulden immer leichter (außer für die meisten europäische Staaten, die ständig neue Schulden machen und noch nicht einmal die Zinsen ihrer Altschulden zahlen - die Schweiz ist eine Ausnahme). Müsste man jetzt umgekehrt die Anfangsschulden um den Inflationsfaktor bereinigen? Bereinigt man gar nicht, weil man sonst ja noch das Datum der jeweiligen Tilgungsleistung benötigt und dann aus dem Rechnen nicht mehr heraus kommt? Rechnet man die Bereinigung bei Schulden genau so wie bei positivem Anfangsvermögen? In der Fachliteratur werden alle drei Meinungen mit guten Argumenten vertreten.

Die verbindliche Lösung zur Indexierung negativen Anfangsvermögens werden wir dann bekommen, wenn ein findiger Kollege einen entsprechenden Fall bis zum BGH treibt. Sobald der BGH dann in einigen Jahren entschieden hat, haben es dann Alle vorher gewusst....

Wahrscheinlich wird man negatives Anfangsvermögen genau so bereinigen wie positives. Dafür spricht zunächst die Bequemlichkeit. Die unter Familienrechtlern am meisten verwendete Datenbank (Gutdeutsch, Beck-Verlag, München) indexiert positives wie negatives Anfangsvermögen gleich (weil das zugrunde liegende Excel-Programm mit einem minus vor der Zahl genau so weiter rechnet wie mit einer positiven Zahl). In den Richtlinien des Bundesfinanzministeriums zum Erbschaftssteuergesetz wird - soweit es bei der Erbschaftssteuer auf eine Indexierung des Anfangsvermögens ankommt - auch nicht unterschieden zwischen positivem und negativem Anfangsvermögen (wobei man über etwaige Logik des deutschen Steuerrechts besser nicht nachdenken sollte, wenn man bei guter geistiger Gesundheit bleiben möchte).

Neben der Bequemlichkeit spricht allerdings auch ein praktisches Argument für die gleichartige Indexierung. Oft ist es ja so, dass das Anfangsvermögen einen Saldo aus Aktiva und Passiva darstellt, beispielsweise das Haus oder das Auto, auf das noch ein Restkredit abzuzahlen ist. Wie sollte man rechnen, wenn das Häuschen einen Wert von 250.000 hat, aber noch 100.000 abzuzahlen sind? Wenn man da unterschiedlich nach Aktiva und Passiva indexiert, dann dauert das etwas länger. In der Rechts"wissenschaft" nennt man einen solchen Sachzwang nicht Bequemlichkeit, sondern das Argument der Praktikabilität.

Die vorstehende Einschätzung ider Indexierung negativen Anfangsvermögens ist unverbindlich. Wenn der Bundesgerichtshof entscheidet, dass es regnet, dann regnet es eben - und die Entscheidung über die Indexierung negativen Anfangsvermögens haben wir noch nicht.

GÜ und latente Steuerlast

Zugewinnausgleich und die latente Steuerlast

Zugewinn = Endvermögen minus (inflationsbereinigtes) Anfangsvermögen.

Das Endvermögen berechnen wir mit dem üblichen Verkehrswert. Das ist einfach, wenn es sich um Geld handelt. 10.000 Euro auf dem Sparbuch sind 10.000 Euro. Wenn das Privatvermögen ist und wir das Geld abheben, dann haben wir damit kein Problem. Es fallen keine Steuern an (jedenfalls zur Zeit noch nicht).

Anders ist es aber bei vielen sonstigen Vermögenswerten: Steuern fallen an, sobald man einen Vermögenswert realisiert. Im Zugewinnausgleich haben wir das beispielsweise bei Betriebsvermögen schon seit vielen Jahren berücksichtigt. Der Verkehrswert ist das, was nach Abzug der Steuern übrig bleibt. Seit spätestens BGH Urteil vom 2.2.2011 Az XII ZR 185/08 müssen wir die latente Steuerlast bei allen Vermögenspositionen im Endvermögen berücksichtigen.

Beispiel:

Beide Eheleute starten mit einem Anfangsvermögen "Null". Zum Zustelldatum des Scheidungsantrags hat die Ehefrau 50.000 auf dem Sparbuch und der Mann hat 50.000 in Aktien.

Früher hätte man gerechnet: Endvermögen und Anfangsvermögen bei beiden gleich, kein Zugewinnausgleich. Nach Meinung des BGH würde das zu einem unangemessenen Ergebnis führen. Die Ehefrau könnte über ihre 50.000 frei verfügen. Der Ehemann müsste jedoch, um den Verkehrswert seines Aktienpakets zu realisieren, den Kursgewinn versteuern (Abgeltungsverfahren zur Zeit 25% zuzüglich Soli (43a EStG).

Lösung für das vorstehende Beispiel also (ohne den Soli, der je nach dem individuellen Steuersatz unterschiedlich ausfällt und der uns hoffentlich nicht so lange erhalten bleiben wird wie die Sektsteuer, die zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsmarine vor dem 1. Weltkrieg eingeführt wurde):

Zugewinn Ehefrau (50.000 Endvermögen minus Null Anfangsvermögen) gleich 50.000.

Zugewinn Ehemann (50.000 Aktienpaket minus beispielsweise 2.500 latente Steuerlast, wenn 10.000 Kursgewinne zu versteuern wären)47.500.

Ehefrau hätte also 2.500 mehr Zugewinn und müsste im Scheidungsfall die Hälfte davon, also 1.250 herauszahlen.

Dieses Berechnungsbeispiel ist noch relativ einfach zu rechnen. Lustig wird es, wenn zum Beispiel latente Veräußerungsgewinne bei fiktiven Grundstücksgeschäften nach dem individuellen Steuersatz beider Eheleute unterschiedlich hoch versteuert werden müssten, weil diese Gewinne als zusätzliche Einkünfte zu den laufenden Einnahmen aus Arbeitseinkommen versteuert werden müssten. Bei unterschiedlich hohem sonstigen Einkommen der Eheleute fällt die fiktive Versteuerung des fiktiven Verkaufserlöses entsprechend unterschiedlich hoch aus.

Beispiel: Eheleute hatten zwei vermietete Eigentumswohnungen, jeweils als Miteigentümer zu 1/2 eingetragen. Damit es nach der Scheidung klare Verhältnisse gibt, übertragen sie sich je eine Eigentumshälfte, damit zukünftig jeder eine Wohnung als Alleineigentümer hat. Falle 1: Die Übertragung löst die Steuerpflicht aus (verdeckte Gewinne, Abschreibung wird aufgedeckt). Falle 2: Wenn Mann und Frau unterschiedlich hohe steuerpflichtige Einkünfte haben, fällt die Steuer auf die Veräußerungsgewinne wegen der Steuerprogression unterschiedlich hoch aus. Wenn die Eheleute in diesem Beispielsfall die Übertragungen per Notar ohne die erforderliche weitere Beratung vornehmren, um Geld zu sparen, dann freut sich das Finanzamt.

Klassische latente Steuerlasten (nicht vollständig!):

Lebensversicherungen, die bis zum 31.12.2004 abgeschlossen worden sind - Steuerfreiheit bei Erträgen nach 12 Jahren, aber latente Steuern bei Stichtag (Zustellung des Scheidungsantrags) vor Ablauf von 12 Jahren.

Lebensversicherungen, die nach dem 31.12.2004 abgeschlossen worden sind: Versteuerung des gesamten Gewinns nach dem persönlichen Steuersatz; Ausnahme: Stichtag nach dem 60. Geburtstag + Laufzeit mehr als 12 Jahre, dann nur 50%.

Vermögenswirksame Leistungen - entfallen rückwirkend, wenn die Sperrfristen nach §§ 4 bis 7 des 5. VermBG nicht eingehalten werden

Versteuerung der Abschreibungen, § 23 IV EStG (bei Häusern, Eigentumswohnungen).

Geneigte Leserinnen und Leser, erschlagt nicht die Juristen, weil die Berechnung mitunter wegen der Steuerlast kompliziert ist. Wir können nichts dafür, dass das deutsche Steuerrecht wegen der unersättlichen Gier unseres Steuerstaates unerträglich ist. Die Steuereinnahmen unseres Staates steigen seit Jahrzehnten. Da aber leider immer die Parteien mehrheitlich gewählt werden, die mehr Geld verjubeln als herein kommt, ändert sich nichts.

Sehen wir die Dinge doch lieber positiv. Mit der latenten Steuerlast im Falle der fiktiven Veräußerung des Endvermögens können Sie mit dem Zugewinnausgleich spielen wie auf einem Klavier. Außerdem ist die Kompliziertheit der Berechnung ein gutes Verhandlungsargument. Allerdings sollte man zumindest einigermaßen präzise rechnen; sonst ist die Gefahr eines unangehmen Schadens zu hoch.

Wir müssen auch die latente Steuerlast in die Ausgleichsberechnung mit einbeziehen. Sonst vergleichen wir sozusagen Äpfel mit Birnen. Der Ehegatte mit Bargeld kann darüber frei ohne Steuerlast verfügen. Der andere Ehegatte, der erst einmal Steuer zahlen muss, um an sein Kapital zu kommen, würde ungerecht behandelt, wenn man diese latente Steuerlast ignoriert.

Selbstmedikation beim Zugewinnausgleich

Selbstmedikation beim Zugewinnausgleich lohnt sich selten.

Beispiel (tatsächlich so passiert): Eheleute sind sich einig, die Scheidung soll so billig wie möglich einvernehmlich durchgeführt werden. Während der Ehezeit hat man erst eine Ferienwohnung auf Eheleute gekauft und später dann die zweite, weil es so gut lief, auch auf Eheleute zu je 1/2. Um "es wird alles geteilt" sauber auseinander zu kommen, hat dann der Ehemann die eine Ferienwohnung per Notarvertrag zu Alleineigentum übernommen und die Ehefrau die andere. Beide Objekte waren schuldenfrei.

Konsequenz: Zwei Veräußerungsvorgänge (die Übertragung der jeweiligen Eigentumshälfte an den anderen Ehegatten!), beide Veräußerungsgewinne voll steuerpflichtig, zwei Mal über 30.000 Euro Steuern. So hatten die sich das nicht vorgestellt.

Der Notar musste nicht haften: Er hatte, wie in notariellen Standardtexten üblich, auf das Beratungserfordernis in Bezug auf Steuern hingewiesen.

Vorliegend musste auch der Scheidungsanwalt nicht haften ("Wir nehmen nur einen Anwalt, das ist billiger"). Er konnte darlegen, dass er ausschließlich nur mit dem Scheidungsauftrag betraut war und das man ihm das Vorhandensein von Vermögen bewusst verschwiegen hatte ("Sag ja dem Anwalt nichts von unserem Vermögen, sonst wird das nur unnötig teuer").

Es gibt unzählige Beispiele dieser Art. Gerade wegen der Heimtücke des deutschen Steuerrechts lohnt es sich regelmäßig nicht, am falschen Platz zu sparen. Dazu ein weiteres Beispiel, auch tatsächlich passiert und vom BFH entschieden:

Eheleute mit zwei Kindern trennen sich. Der Ehemann betrieb eine kleine Schreinerei. Das Betriebsgrundstück hatte er unbebaut gekauft. Auf Anraten seines Steuerberaters hatte er dann seinen Betrieb als GmbH geführt. Das Betriebsgrundstück stand auf den Namen der beiden minderjährigen Kinder und von diesen hatte die Schreinerei - GmbH es dann gepachtet. Die von ihm auf diesem Betriebsgrundstück später errichtete Werkshalle hatte einen Wert von ein paar hunderttausend Euro.

Anlässlich der Trennung beantragte und erhielt die Ehefrau das alleinige Sorgerecht über die beiden gemeinsamen Kinder. Das reicht steuerrechtlich schon: Betriebsaufspaltung (nahe Angehörige, Kinder) wegen Entzug des Sorgerechts beendet, stille Reserven, also Wertsteigerung des Betriebsgrundstücks (Halle) aufgedeckt, 2 Steuerbescheide zu je über 200.000 Euro.... Das erschreckte die Anwältin der Ehefrau verständlicherweise. Sie schrieb dem Ehemann sofort, dass man auf die Sorgerechtsentscheidung des Familiengerichts verzichte und schickte davon eine Kopie an das Finanzamt mit dem Ersuchen, die Steuerbescheide aufzuheben. Das war der nächste Fehler. Das FA nahm eine erneute Betriebsaufspaltung an und verschickte erfreut die nächsten beiden Steuerbescheide. Diese letzten beiden Bescheide hob der BFH auf. Die ersten beiden Bescheide nicht.

Bei Selbstständigen rät der Steuerberater gerne zur GmbH, aus Gründen der Haftung und der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten oft verständlich. Nur werden dabei oft die rechtlichen Folgen nicht ausreichend bedacht oder die Leute nicht ausreichend über die Konsequenzen und die Langzeitwirkungen aufgeklärt. Im Steuerrecht gilt bis heute, jedenfalls in Deutschland, der Spruch des Kaisers Augustus: Pecunia non olet. Geld stinkt nicht. Gerade im Steuerrecht muss man vorher beraten und gestalten. Das kostet zwar Geld, hätte aber im vorliegenden Fall über 400.000 Euro + Prozesskosten des Steuerrechtsverfahrens gespart.

Wenn Anwälte Fehler machen, dann sind sie dagegen versichert. Wenn man den Fehler selbst macht oder auf irgendwelche "weisen Ratschläge" hört, um ein paar Euro zu sparen, bekommt man unter Umständen Probleme. Jeder kann es sich selbst aussuchen.

Schenkung an Schwiegerkind

Die geänderte Rechtsprechung des BGH in Bezug auf die Schenkungen an das Schwiegerkind (BGH Urteil vom 20.7.2011, Az XII ZR 149/11) lässt Berge von juristischer Literatur zu Makulatur werden. Altpapier, ab in die blaue Tonne. Soweit man solche Zuwendungen in notariellen Verträgen vorgenommen hat, gehören diese Gestaltungen überprüft.

In den Presseerklärungen wurde gesagt, man habe einen "Reset" vornehmen wollen.

Zum Problem und zu der niedlichen Diktion: Gemeint sind damit die Fälle, in denen die Eltern bzw. Schwiegereltern Zuwendungen an ihren Sohn oder ihre Tochter vornehmen, die letztlich - entweder direkt oder dann weiter gegeben, meist hälftig - auch bei dem Schwiegersohn oder der Schwiegertochter ankommen.

Geschlechtsneutral korrekt ausgedrückt nennt man den Schwiegersohn oder die Schwiegertochter "Schwiegerkind". Das die so bezeichneten in der Regel keine Kinder mehr sind, sondern volljährig, ist für die Begrifflichkeit des Familiensenats bedeutungslos.

Klassisches Beispiel: Die Eltern schenken ihrem "Abkömmling" und dem "Schwiegerkind" (auf deutsch: dem frisch verheirateten Ehepaar) einen größeren Geldbetrag zum "Nestbau", also zum Bau oder Kauf eines Wohnhauses. Später scheitert die Ehe. Was passiert mit der Zuwendung der Eltern bzw. Schwiegereltern?

Früher hätte man einen solchen Vorgang primär im Verhältnis der Eheleute untereinander abgewickelt (unbenannte ehebedingte Zuwendung). Spätestens seit BGH, Urteil vom 20.7.2011, Az XII ZR 149/11 gelten für solche Fälle die allgemeinen Grundsätze über die Schenkung. Damit können unter Umständen die Schenker unter dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlung der Schenkung, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, eine Rückabwicklung verlangen, wenn die Ehe scheitert.

Damit ist dem BGH der "Reset" gelungen. Die Praxis, die sich mühsam an die - im Gesetz nirgendwo geregelte - Rechtskonstruktion der "unbenannten ehebedingten Zuwendungen" gewöhnt hatte, kann von vorne neu anfangen. In eine Scheidungsfolgenregelung müsste man die Eltern/Schwiegereltern mit einbeziehen, da diese ggf. Zuwendungen zurück verlangen könnten. Bezieht man aber diese in die Auseinandersetzung und die Lösung mit ein, dann macht man sie direkt auch aufmerksam in Bezug auf mögliche Rückforderungsansprüche, an die sie sonst vielleicht gar nicht gedacht hätten.

Bei solchen Schenkungsfällen wird man also mögliche Rückforderungsansprüche der Eltern/Schwiegereltern mit einbeziehen müssen. Das macht Scheidungsfolgenvereinbarungen jedenfalls nicht einfacher.

Die Konsequenzen seines "Reset" hat sich der Familiensenat des BGH in seiner Besetzung von 2011 wohl eher nicht bedacht. Jedoch schliesst sich damit, zynisch ausgedrückt, der Kreis. Nach der offiziellen Umfrage des Ministeriums von 2012 verstehen 90 Prozent der betroffenen Eheleute die Regelungen des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft nicht. Dem 12. Senat des BGH ist es gelungen, auch gestandenen Juristen mit seiner Entscheidung vom 20.7.2011 juristisches Neuland zu bereiten und ordentlich Arbeit zu beschaffen. Die frisch geschaffenen neuen Probleme sind zwar lösbar. Allerdings haben es bislang weder der Gesetzgeber noch der BGH geschafft, eine Lösung zu gestalten, die den betroffenen Eheleuten verständlich und nachvollziehbar ist.

Beim nächsten Mal

Beim nächsten Mal stellt sich die Frage der Gestaltung des ehelichen Güterrechts durch einen Ehevertrag. In die erste Ehe sind die meisten Eheleute ohne eine entsprechende Beratung über die rechtlichen Folgen hinein gegangen. Die zweite Ehe wird, statistisch betrachtet, mit einer gegenüber der ersten Ehe um 100 Prozent gesteigerten Trennungswahrscheinlichkeit belastet sein.

Glücklicherweise besteht unser Leben nicht nur in der Erfüllung irgendwelcher Statistiken. Trotzdem stellt sich stets die Überlegung, was wir beim nächsten Mal besser machen könnten.

Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist trotz seiner Schwächen und Ungereimtheiten vom Ansatz her gar nicht so schlecht. Es entspricht den Vorstellungen vieler Eheleute, dass man das, was man - oft mit unterschiedlichen Rollen - während der Ehe erworben hat, im Trennungsfall gerecht aufteilen sollte. Bis zu einer Trennung besteht oft der Konsenz zur Solidargemeinschaft.

Dann kann man sich die pauschale gesetzliche Regelung aber problemlos per Ehevertrag, während die Solidargemeinschaft noch funktioniert, auf die persönlichen Bedürfnisse anpassen: das ist die modifizierte Zugewinngemeinschaft. Damit erhält man sich die Vorteile, insbesondere die steuerlichen, auch die erbschaftssteuerlichen Vorteile der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft. Die Nachteile und Ungerechtigkeiten der zwangsläufig pauschalisierenden gesetzlichen Regelungen schliesst man per Ehevertrag aus.

Das bedarf allerdings der Überlegung und regelmäßig auch der Beratung im individuellen Einzelfall. Patentrezepte für alle Fälle gibt es da nicht.

Beispiele:

Schmerzensgeldansprüche eines Ehegatten wird man regelmäßig aus dem Zugewinnausgleich ausnehmen. Wenn ein Ehegatte per Verkehrsunfall ein Bein verliert, soll dann dem anderen Ehegatten die Hälfte des Schmerzensgeldes aus dem Verlust des Beins zustehen?

Ein Ehegatte erbt während der Ehe Ackerland und bewirtschaftet das als Landwirt. Dann wird das Ackerland, beispielsweise in Mainz - Lerchenberg (ZDF!) zu Bauland und steigt im Wert von 1 Euro auf 400 Euro pro Quadratmeter. Soll der andere Ehegatte an dieser Wertsteigerung beteiligt werden (mit der Konsequenz, dass der andere Ehegatte seinen Hof verkaufen muss, um auszuahlen zu können)?

Da kann man während bestehender Ehe, wenn Gespräche und Regelungen noch möglich sind, einmal nachdenken und sich beraten lassen. Das Recht ist für die Schlauen im Lande. Das Recht soll dem Bürger dienen und nicht umgekehrt. Wenn man etwas tut, muss man selbst beim Steuerrecht nicht unbedingt wie ein Kaninchen auf die Schlange starren und auf das Unheil warten.